13. Oktober 2025

Hermaphroditismus – zwischen Biologie, Medizin und Lebensrealität

Der Begriff „Hermaphrodit“ stammt ursprünglich aus der griechischen Mythologie: Hermaphroditos war das Kind von Hermes und Aphrodite, das männliche und weibliche Züge in sich vereinte. In der Medizin wird dieser Ausdruck heute kaum noch verwendet, da er oft als stigmatisierend gilt. Stattdessen spricht man von intersexuellen Menschen oder Varianten der Geschlechtsentwicklung (VdG).

Intersexualität ist selten, aber nicht außergewöhnlich. Je nach Definition und Ausprägung kommen etwa 1 von 2.000 bis 1 von 4.500 Neugeborenen mit uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen zur Welt. Dabei können Chromosomen, Hormone oder die Entwicklung der Geschlechtsorgane unterschiedlich verlaufen. Manche Varianten fallen sofort nach der Geburt auf, andere erst in der Pubertät.

Intersexuelle Menschen können körperliche Merkmale aufweisen, die sich nicht eindeutig einem männlichen oder weiblichen Geschlecht zuordnen lassen. Das betrifft:

  • Chromosomen (z. B. XXY statt XX oder XY),
  • Hormone (abweichende Produktion oder Wirkung),
  • Geschlechtsorgane (uneindeutige äußere oder innere Strukturen).

Es handelt sich nicht um eine Krankheit, sondern um eine natürliche Variation menschlicher Entwicklung. Manche Menschen leben ohne gesundheitliche Einschränkungen, andere benötigen medizinische Begleitung.

Früher war es üblich, sofort nach der Geburt chirurgisch ein Geschlecht „festzulegen“. Heute hat sich die Haltung stark verändert:

  • Viele Fachgesellschaften und Betroffenenorganisationen raten, mit irreversiblen Operationen zu warten, bis das Kind selbst mitentscheiden kann.
  • Frühzeitige Eingriffe können nicht nur medizinische Risiken bergen, sondern auch psychische Folgen haben, wenn die Geschlechtszuordnung später nicht mit der eigenen Identität übereinstimmt.
  • Eltern werden ermutigt, ihr Kind liebevoll anzunehmen, auch wenn die Geschlechtsfrage zunächst offenbleibt.

Die Pubertät ist für intersexuelle Jugendliche eine besondere Herausforderung:

  • Körperliche Veränderungen können sich anders entwickeln, als von Eltern oder Ärzten erwartet.
  • Die Identitätsfindung erfordert oft zusätzliche Begleitung, etwa durch psychologische Beratung oder Peer-Gruppen.
  • Wichtig ist, dass Jugendliche ihre eigene Stimme bekommen, um Entscheidungen über ihren Körper und ihre Identität selbst treffen zu können.

Viele Betroffene berichten, dass Offenheit in der Familie, Respekt im sozialen Umfeld und ein achtsamer medizinischer Umgang entscheidend sind, um diese Phase positiv zu gestalten.

Intersexuelle Menschen kämpfen noch häufig mit Unverständnis oder Tabus. Doch in den letzten Jahren hat die öffentliche Wahrnehmung zugenommen. Einige Länder haben offizielle dritte Geschlechtsoptionen eingeführt, um Betroffenen mehr Anerkennung zu geben.

Eltern, die ein intersexuelles Kind haben, stehen oft vor schwierigen Fragen. Fachleute raten, den Weg in Ruhe zu gehen: Zuwarten, begleiten, informieren – und das Kind in seiner Einzigartigkeit annehmen.